Osterbrief 2025 von Albert Gerhards
“Dies ist die Nacht, von der geschrieben steht: ‚Die Nacht wird hell wie der Tag,
wie strahlendes Licht wird die Nacht mich umgeben‘ (Ps 139, 11.12).“ (Exsultet)
Das berühmte Fresko mit der Darstellung des Deszensus Christi – hinabgestiegen in das Reich des Todes – war ein Höhepunkt der Studienreise anlässlich des 1700jährigen Jubiläums des ersten Ökumenischen Konzils von Nizäa zu Beginn der Österlichen Bußzeit in die Türkei, kurz bevor auch dort der Staatsterror zuschlug. Der am Kreuz Gestorbene bringt den Vorfahren in der Unterwelt die Erlösung (vgl. 1 Petr 3,19), zieht Adam und Eva und damit die ganze Menschheit aus dem Dunkel des Todes herauf, um sie in das Licht des neuen Lebens zu führen. Jesus Christus, das ungeschaffene Licht vom Licht, wie das nizänische Glaubensbekenntnis formuliert, überlässt der Finsternis am Karfreitag nicht das letzte Wort. Der österliche Lobgesang am Beginn der Osternachtfeier, das Exsultet, bringt diese Glaubenszuversicht in einem Paradox zu Ausdruck, das als Schriftzitat aus Ps 139 [138] eingeführt wird, der von Gottes Allgegenwart spricht. Das Schriftzitat ist der Angelpunkt des Textes, indem es die Nacht der Auferstehung Jesu als Wende im Drama der Heilsgeschichte zwischen Schöpfung (Adams Schuld) und Vollendung (Wiederkunft Christi) markiert. Der Introitusgesang am Ostermorgen bezieht sich ebenfalls auf Ps 139, indem er den Auferstandenen mit den Worten des Psalms sprechen lässt: „Auferstanden bin ich, und noch immer bin ich bei dir, halleluja. Du hast deine Hand auf mich gelegt, halleluja. Wunderbar wurde dein Wissen (um mich), halleluja, halleluja“ (vgl. Ps 139,5.6). Der Sohn wird sich dessen bewusst, dass er niemals vom Vater verlassen war, auch nicht in der dunklen Todesstunde am Kreuz. Der vierte Evangelist sagt es christologisch: „Das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst“ (Joh 1,5).
Zwischen Karfreitag und Ostern liegt aber der Karsamstag, die Zeit des Ausgelöscht-Seins. Die gegenwärtige Zeit erscheint vielen als ein fortwährender Karsamstag, ohne Hoffnung auf einen Ostermorgen. In den Evangelien sind es die Frauen, die gegen alle Hoffnung dennoch zu ihrem Meister stehen. Deshalb sind sie auch die ersten Zeuginnen des Auferstandenen. Hoffen wider alle Hoffnung – und durch Zeichen der Zuwendung Zeugnis von der Gegenwart Gottes in unserer Welt geben – das ist wohl der Ruf der Stunde. Am Ende des Exsultet heißt es von der Osterkerze: „Sie leuchte, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erscheint in österlichem Licht.“
Ein Aufblitzen von österlichen Lichterfahrungen und begründete Hoffnungszeichen wünscht herzlich,
Albert Gerhards
Zum Download: Osterbrief 2025